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mutzenbacher_modeDie vier Jung-Designerinnen Magdalena Stotter, Afra Kirchdorfer, Lena Scheerer und Valerie Lang präsentierten im Hotel Altstadt ein Modekonzept mit vier wirkungsvollen Interpretationen zum Thema Josefine Mutzenbacher.


Zunächst gab es Sekt und Pralinen im Roten Salon vom Hotel Altstadt, dem folgte die Kollektionspräsentation 2008 mit dem jugendfreien Titel "Josefine Mutzenbacher zieht an" des Modekollegs Herbststraße Wien. Die Mutzenbacher, die sich am liebsten nackt zeigte, in den Mode-Kontext zu stellen versprach Originalität, und diese Erwartung wurde auch erfüllt.

Die Mode der Josefine Mutzenbacher

Zur Ausgangslage: Siegmund Salzmann, der unter dem Namen Felix Salten bekannt geworden ist, schrieb ja nicht nur (ganz sicher) die Tiererzählung "Bambi", als seine bekannteste von vielen Tiererzählungen, sondern auch (angeblich) die erotische Lebensgeschichte der Wiener Dirne Josefine Mutzenbacher. Die deutsche Tageszeitung Die Welt äußerte sich übrigens im Dezember 2007 über das weiterhin vorhandene Erregungs- und Aufregungspotenzial des Buches folgendermaßen: "Die amourösen Abenteuer der Josefine Mutzenbacher sind so altbacken und albern, dass die Verfilmungen des Stoffes nicht mal mehr im Unterschichtenfernsehen ausgestrahlt werden. Was für die heutzutage bieder anmutenden Erotikfilmchen zutrifft, hat auch Gültigkeit für deren literarische Vorlage: "Josefine Mutzenbacher. Die Geschichte einer Wienerischen Dirne. Von ihr selbst erzählt" (1906) birgt in Zeiten einer entfesselten Pornoindustrie weder Erregungs- noch Aufregungspotenzial. Jede zweite Werbung im Vorabendprogramm ist sexuell eindeutiger. Dennoch steht das Buch hierzulande seit 1982 auf jener Liste indizierter Schriften, mit der die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien Mores lehren will.magdalena_stotter Pech für alle Antiquare, die das Werk im Internet anbieten. Ihnen droht dieser Tage Ungemach: Eine Welle von Abmahnungen überrollt […] den antiquarischen Online-Handel." Bei der Kollektionspräsentation fanden sich glücklicherweise weder Sittenwächter ein noch wurden Abmahnungen ausgesprochen. Aber, bitte: Die präsentierten Modestücke waren ja auch weder altbacken noch albern.

D.I.R.N.

Die vier jungen Designerinnen zollten der Mode von vor 100 Jahren durchaus ihren Respekt, verzichteten dabei aber auf die sperrigen, starren Formen aus dem Fin de Siècle zugunsten leichter Stoffe, Bewegungsfreiheit und Bequemlichkeit. Magdalena Stotters Kollektion mit dem Titel D.I.R.N. überzeugt z. B. mit alltagstauglicher Extravaganz, mit Andeutungen und Raffungen, mit Verspieltheit und unkonventionellen Details. Stotter: "Neckische Shirts und Kleider mit Strumpfhaltern erinnern an Strumpfgürtel von damals. Die angenehm leichten Stoffe und bequemen Schnittführungen stehen für Bewegungsfreiheit, die heutzutage unablässig ist. Die Taille hoch angesetzt und das betonte Gesäß unterstreichen die weibliche Formen."

afra_kirchdorferNatural Josefine

In Afra Kirchdorfers Kollektion mit dem Titel Natural Josefine wiederspiegelt sich die Funktionalität eleganter Ästhetik. "Kleidung", so Kirchdorfer, "die den menschlichen Körper vor unerwünschten Einflüssen der Außenwelt, z. B. im Alltag vor Kälte, Nässe und Hitze schützt." Und: "Ich möchte durchaus die Strukturen der schmalen Taille in meine Kollektion einbringen und die Betonung der Taille als einen Ausgangspunkt der Kleider wählen, da diese kennzeichnend für die damalige Zeit ist. Außen vor bleiben sollen jedoch die unbequemen Korsagen, die ich in meiner Kollektion aufgreife und zu bequemen Kleidungsstücken verforme."

Mutzwäsche

"Vielfältige Fraktur, gepaart mit weiblichem Eigensinn verkörpern aufregende Unsitten und zwanglose Lust historischer Hinterhöfe." So beschreibt Lena Scheerer ihre Kollektion Mutzwäsche, die mit den Farben Violett und Grau symbolhaft Josefines Hurenleben darstellt. Scheerer: "Die Farbe Violett steht für Geheimnisvolles und Verruchtes. Eine Farbe die eine undefinierbare Wirkung versprüht und doch keinen kalt lässt, sondern durch ihre Undurchdringlichkeit eher schmeichelt. Die Farbe Grau wiederum symbolisiert die graue, dreckige Vorstadt, der Anfang und die Geburtsstätte einer Mutzenbacherin." Die Unterbekleidung des 19. Jahrhunderts diente ihr dabei als Inspiration für Schnitt und Entwurf, was allerdings älter klingt als es ausschaut.

Sinnliche Josefinen

Auf einfache Stoffe, wie ungebleichte, naturweiße Baumwoll- und lena_scheererLeinenstoffe, braune Wollstoffe und senfgelbe Plissees mit verschiedenen Blautönen als Kontrast, bis hin zu transparenten Stoffen setzt Valerie Lang mit ihrer Kollektion Sinnliche Josefinen – ein Kollektionstitel, der sehr gut dem entspricht was gezeigt wurde. Stehkragen und Freizügigkeit kombiniert Lang in ihrer sehr anmutigen, unaufdringlich-sinnlichen Modeschöpfung. Lang: "Die Kleidungsstücke sind nach unten hin freizügig, sie sollen den Körper reizvoll gestalten, Formen und Kurven werden betont, die Schönheit des weiblichen Körpers soll präsentiert werden. Die typisch erotischen Farben wie rot und schwarz setze ich bewusst nicht ein, da ich keinem Klischee folgen will." Sehr gelungen diese Modeschau im wahrhaft schönen Ambiente mit ungewöhnlichem, dafür umso stimmigeren Catwalk, klug ausgewählten Models und überraschend unnerviger Musik, perfekt passend zum modischen Konzept vier junger Designerinnen mit Zukunft. (Manfred Horak)

valerie_lang
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