Der neue Kinofilm von Harald Sicheritz ist die Verfilmung des Romans "Darum" von Daniel Glattauer. Im Gespräch erläutert der Autor die Unterschiede zwischen der Literaturvorlage und dem Film, sowie über seine Mitarbeit im Vorfeld zum Film.
Der Inhalt von "Darum" in aller Kürze: Stellen Sie sich vor, Sie begehen einen Mord – und keiner glaubt Ihnen. Denken Sie an eine nette Person aus Ihrem Bekanntenkreis, an einen friedfertigen jungen Mann. Einen sympathischen, charmanten, beruflich erfolgreichen Menschen. Einen durch und durch angenehmen Zeitgenossen. Genau so ein Mann ist Jan Haigerer. Er ist Mitte 30. Er arbeitet als Gerichtsreporter bei einer angesehenen Zeitung des Landes und ist allseits beliebt. Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie erfahren, dass genau dieser nette junge Mann jemanden umgebracht haben soll. Angeblich hat er in einer Bar jemanden erschossen. Irgendjemanden. Er ist hergegangen und hat die Mündung seiner Waffe wahllos auf einen Menschen gerichtet und abgedrückt. Genau das hat Jan Haigerer getan. Er hat Rolf Lentz ermordet. Ohne Streit, ohne Vorgeschichte, scheinbar aus dem Nichts heraus. Angeblich hat er das Opfer vorher nicht einmal gekannt. Haigerer legt ein Geständnis ab. Er sagt, die Tat war geplant. Grund dafür gibt er keinen an. Und die Menschen rund um ihn erkennen nichts Böses an ihm. Sie mögen ihn. Daher will niemand ihm glauben... Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie hörten, dass "Darum" verfilmt werden soll? Daniel Glattauer: Erster Gedanke: Ja, schön, gut, gern! Zweiter Gedanke: Wer will das machen? Dritter: Wie wollen die das machen? Vierter Gedanke: Wenn das nur gut geht! Fünfter Gedanke: Ich möchte dabei sein, wenn der Film entsteht. Sind Sie grundsätzlich eher ein Befürworter oder ein Gegner von Literaturverfilmungen? Daniel Glattauer: Eher ein Befürworter, weil das natürlich künstlerische Herausforderungen sind. Ich frage mich nur immer wieder, warum so viele schwer verfilmbare Romane verfilmt werden, und warum sie so verfilmt werden, dass nichts mehr von ihnen übrig bleibt, nichts von dem, worauf es im Buch ankommt, was ihre Qualität ausmacht. Ich habe den Verdacht, dass es bei Literaturverfilmungen oft darum geht, die Popularität eines schriftlichen Werkes, Stoffes oder Autors auszunützen. Gibt es für Sie eine exemplarisch gelungene Literaturverfilmung? Welche Kriterien muss sie erfüllen? Daniel Glattauer: Am besten gelingen zumeist die Extreme: Entweder man setzt den Romanstoff authentisch in Bilderfolgen um und bleibt der literarischen Sprache mit Off-Stimmen treu. Wie es ein "Hörbuch" gibt, so wäre der Film dann ein "Sehbuch" zum ursprünglichen Roman. Oder, anderes Extrem: Man versucht den Romanstoff aus völlig anderen Blickwinkeln zu erzählen, schafft also ein gänzlich anderes Produkt. Für Zuseher, die das Buch kennen, muss sich dabei ein neues Erlebnis der Wahrnehmung ein und desselben Stoffs, ein und derselben Geschichte ergeben. Welche Probleme mussten überwunden werden, um "Darum" auf die Leinwand zu bringen – in erzählerischer und dramaturgischer Hinsicht bzw. in Bezug auf die Figuren des Romans?
Worin sehen Sie denn die größten Abweichungen vom geschriebenen Roman? Daniel Glattauer: Erstens in der Verwandlung einer Ich-Erzählung in eine Geschichte, bei der es plötzlich mehrere handelnde Personen mit ihren jeweiligen Motiven und Sichtweisen gibt. Zweitens, und das fällt logischerweise keinem so sehr auf wie mir: Die Sprache ist anders, einfacher, normaler, "ent-literarisiert". Filmfiguren reden im Gegensatz zu Romanfiguren gesprochenes Deutsch, nicht gefeiltes, geschliffenes, geschriebenes. Dritte große Abweichung: Jan Haigerer selbst. Er ist nicht mehr der friedfertige Freund von nebenan, den alle lieben, und dem man selbst dann nichts Böses zutraut, wenn es bereits bewiesen ist. Diese Schizophrenie, diese Grätsche von Gut und Böse, funktioniert (wenn sie funktioniert) wahrscheinlich nur literarisch. Der Film-Haigerer wurde in seinem Wesen dunkler angelegt, um fürs Publikum glaubwürdig rüberzukommen. Wie schwierig ist es, sich eine Figur, die man selbst erfunden hat, von einem realen Schauspieler verkörpert vorzustellen? Daniel Glattauer: Mir fällt das im konkreten Fall überhaupt nicht schwer. Ich war ja darauf vorbereitet, einen anderen Haigerer kennen zu lernen, als jenen, der in meinem Kopf entstand (und der nirgendwo anders lebt als dort). Beim Schreiben habe ich überdies nie konkrete Gesichter meiner Figuren vor mir. Aber natürlich: Typ, Gemüt, Temperament müssen übereinstimmen. Die Handlungen einer Figur zu visualisieren, ist ja noch vergleichsweise einfach, aber wie steht es um das "Innenleben", die Gedanken?
Wie sehr deckt sich Kai Wiesinger als Protagonist mit dem Bild, das Sie selbst von Haigerer hatten? Daniel Glattauer: Für den Film-Haigerer ist er ideal, er ist in meinen Augen ident mit der Drehbuchfigur. Mein Buch-Haigerer war doch ein etwas Anderer: Braver, schüchterner, stiller, verträumter, schutzbedürftiger. Den sieht man und denkt: Unmöglich, dass dieser Mensch auch nur einer Fliege etwas zu Leide tut. Warum haben Sie weder beim "Weihnachtshund" noch hier am Drehbuch mitgearbeitet? Würde Sie das nicht reizen?
Haben Sie Ideen für eigene Drehbücher, die gar nicht auf Ihren Vorlagen beruhen? Daniel Glattauer: Nein, damit habe ich mich bisher noch nicht beschäftigt. (Filmladen; Fotos: © Allegro Film / Petro Domenigg) Film-Infos: Darsteller/innen: |
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